Cheapray 5-String

Ausgangsbasis: OLP Tony Levin Signature

Nachdem der hier beschriebene Umbau eines günstigen MusicMan-Clones ein wirklich tolles Resultat geliefert hat, musste sowas Ähnliches mit fünf Saiten ins Haus.

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Als günstige Ausgangsbasis dient ein OLP Tony Levin Signature-Bass aus einem Kleinanzeigenportal. Derartige Instrumente gibt’s auf dem Gebrauchtmarkt aktuell ganz günstig. Das Bild rechts zeigt den Bass nach dem ersten Umbau, daher fehlt noch ein Poti.

Für den ursprünglich aufgerufenen  Neupreis kann man natürlich bei einem Fünfsaiter keine Wunder erwarten. Der Hals ist immerhin aus einem Stück (wahrscheinlich Ahorn) gefertigt, vom Profil aber für meine Vorlieben deutlich zu klobig. Die Abrichtung der Bünde war auch alles andere als perfekt, aber an irgendeiner Stelle musste wohl offensichtlich gespart werden. Das kann man aber nachholen. Daher wurde der Hals rückseitig erstmal entlackt, um gut 5 mm verjüngt und anschließend geölt und gewachst. Nach Abrichten einiger „vergessener“  Bünde ist dann auch  eine komfortable Saitenlage realisierbar.

Der große Vorteil dieses Instruments: Es gibt schon ein Batteriefach. Viele Kopien in diesem Preissegment haben ja leider keine aktive Elektronik verbaut und dann müsste man erstmal die Fräse anwerfen…

Vorne hui, hinten Multi…

Die Optik haben die freundlichen Chinesen dank einer aufgeleimten zweiteiligen Decke (vielleicht ist’s aber auch Folie) sehr hübsch hinbekommen, gleiches gilt für die Kopfplatte.Der Korpuskern besteht dann jedoch aus mehreren aneinandergeleimten Holzstreifen. Da denkt man irgendwie ein bisschen an Resteverwertung aber was soll’s, den Einfluss des Korpus schätze ich ohnehin als äußerst gering ein – bei einem elektrisch verstärkten Instrument soll ja nix schwingen (und dabei wohlmöglich noch der Saite Energie entziehen), der unverstärkte Klang ist ohnehin bei einem E-Bass irrelevant. Eine interessante (Pflicht-)Lektüre zu diesem Thema gibt’s übrigens hier.

Unter der Haube

Toll, dass man Schraubhalsbässe so gut zerlegen kann! In weniger als 5 Minuten sind die Saiten locker, der Hals abgeschraubt und nach dem Entfernen des Pickguards ist man schon mittendrin.OLP_1

Bei diesem Exemplar hat der Vorbesitzer offenbar zusätzliche Abschirmmaßnahmen ergriffen und das Elektronikfach mit selbstklebender Alufolie ausgekleidet.

Etwas merkwürdig mutet dann jedoch die Beschaltung der Elektronik an: hier wird das Signal des Tonabnehmers zuerst zum Volumepoti geführt und dessen Ausgangssignal gelangt dann zum Equalizer, der hier als vergossenes Modul ausgeführt ist. So kann man zumindest sicherstellen, dass Nebengeräusche des Preamps auch bei zugedrehtem Volumepoti sicher an das Ohr des Hörers gelangen…

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Die ab Werk verbaute Elektronik ist dabei noch nicht mal wirklich schlecht, sie macht genau das was sie soll und kann dem Signal ordentlich Tiefenwumms und nette Höhen verpassen. Der Einsatzbereich des Mittenreglers ist auch sehr praxistauglich gewählt, aber…

… sowas gehört einfach nicht in einen Stingray! Ich wage mal zu behaupten, dass der Preamp (was in den meisten Anwendungsfällen ja sinnvoll wäre) das eintreffende Signal zunächst mal durch einen hochohmigen Buffer schickt, dem dann eine der „üblichen verdächtigen“ 3-Band-EQ-Schaltungen folgt. Beim Stingray ist die Ausgangslage aber bekanntlich eine ganz andere. Daher fliegt die Elektronik erstmal raus…

Exkurs: Der „neue“ Stingray-Sound

Irgendwann in den 90ern (?) wurde von Ernie Ball der 3-Band-EQ eingeführt (Schaltplan siehe unten, Quelle: freestompboxes.org). Hier wird offensichtlich ein anderes Schaltungskonzept angewendet. Der beim Cheapray beschriebene durch den Treble-Regler dämpfbare Reihenschwingkreis ist entfallen.MM3Band

Auch über diesen Preamp gibt’s im Netz seitenweise Threads, die sich allerdings vornehmlich mit dem völlig unspannunden Teil zwischen den beiden OPs beschäftigen. Nur kurz: dieser Teil der Schaltung ist ein 08/15-Dreiband-EQ ohne irgendwelche Besonderheiten, der so oder ähnlich wahrscheinlich millionenfach verwendet wurde und wird.

Der interessante Teil der Schaltung ist die Eingangsbeschaltung des ersten OPs. Hier befindet sich (ganz zufällig, wie schon beim Classic-Preamp) ein kleiner Kondensator, der zusammen mit der Pickupinduktivität einen Reihenresonanzkreis erzeugt, der durch den 10k-Widerstand am nichtinvertierenden Eingang etwas bedämpft wird.

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Das Bild oben zeigt eine Simulation des Ausgangssignal direkt nach dem ersten OP, also noch vor dem eigentlichen EQ in Abhängigkeit der Tonabnehmerinduktivität. Leider liegen mir über deren tatsächliche Größe keine Angaben vor (das Bild zeigt den Frequenzgang für Induktivitäten zwischen 0,5H und 4H, vermutlich liegt der verwendete Pickup irgendwo in diesem Bereich. Es wird offensichtlich, dass ganz gezielt der schon in Richtung des alten Preamps vorgefiltert wird.

Der dann folgende Trebleregler wirkt wie ein typischer Kuhschwanz-EQ auf dieses Signal:MM3Band_2

Der Mittelregler wirkt wie erwartet:MM3Band_3

Die Wirkung des Bassreglers überrascht auch nicht wirklich. Anzumerken wäre, dass im Gegensatz zum Classic-Preamp nicht bis in den Infraschallbereich verstärkt wird und die Schaltung bei 75 Hz anhebt:

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Am invertierenden Eingang wird ein Teil des Eingangssignals zur Bassabsenkung eingekoppelt. Als Modifikationsmöglichkeit bietet sich daher der 8n2-Kondensator (vor dem 130k-Widerstand) an, sofern man dies denn durchführen möchte.

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Alt gegen neu

Aus welchen Gründen der Wechsel vom 2-Band-EQ zum 3-Band-EQ erfolgte ist Spekulation. Vielleicht wollte man einfach ein neues Feature anbieten, nachdem immer mehr Hersteller auf die Idee kamen, ihre Instrumente mit aktiven EQs zu versehen. Der gemeine Musiker zählt ja auch gern mal genau diese Features und denkt dann vielleicht: „3-Band ist besser als 2.Band“…

Verfolgt man jedoch die Diskussionen um diese Instrumente, dann liest man immer wieder, dass der 2-Band-Classic-EQ von vielen bevorzugt wird. Viele Musikern, die beide Varianten besitzen, ziehen die alte, klassische Schaltung vor und vermissen maximal die erhöhte Flexibilität durch die zusätzliche Mittenregelung. Dies soll an dieser Stelle allerdings weder bewertet noch kommentiert werden aber es führt zu irgendwie unmittelbar zu folgender Frage: Kann man nicht beides haben?

Der Classic-3-Band-EQ

Die Idee ist eigentlich ganz simpel: Warum nimmt man nicht den Classic-Preamp mit all seinen offensichtlichen klanglichen Vorteilen und erweitert ihn um ein zusätzliches (vielleicht sogar parametrisch einstellbares) Mittenband?

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Und das wird der Weg beim 5-String-Cheapray…

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Erstmal 2-Band…

Der 2-Band-EQ passt glücklicherweise direkt. Da das Elektronikfach bei diesem Bass nicht besonders tief ist, wird die Platine einfach etwas nach hinten gebogen.

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Die Anschlüsse sind innerhalb von 1/2 Stunde alle gelötet und es könnte losgehen, aber…

… leider hat es OLP beim Pickup anscheinend nicht so Ernst mit dem Original genommen. Verbaut ist ein (intern fest verdrahteter) Humbucker mit einem Spulenwiderstand von 13kΩ. Damit ist an dieser Stelle schon klar, dass der Trebleregler des Classic-Preamp nicht wie erwartet arbeiten wird. Der hohe Spulenwiderstand wird den Kreis unerwünscht bedämpfen und die viel zu hohe Induktivität für eine Verschiebung der Einsatzfrequenz führen. Auf den Versuch sollte man es natürlich ankommen lassen.

Pickup-Modifikationen

Bevor man jetzt sofort Unsummen investiert: Am verbauten Tonabnehmer kann man was ändern.

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Erhitzt man die Rückseite ordentlich mit einem Fön, dann kann diese schwarze Klebepampe mit einem Schraubenzieher sukzessive abgetragen werden. Im Bereich der Leitungen sollte man etwas vorsichtig vorgehen. Die Spulendrähte sind über kurze, starre Drähte innerhalb des Pickups verbunden, diese kann man also nicht direkt abreißen…StockPU_3.png

Danach wird der Tonabnehmer aus dem Gehäuse gedrückt, die noch vorhandenen Klebereste entfernt und jetzt können die Spulen parallel geschaltet werden. Das Bild links zeigt die ab Werk seriell verschalteten Spulen (Eingänge der Einzelspuen außen, der blanke Draht verbindet den Ausgang der einen mit dem Eingang der anderen). Jede Spule hat wie erwartet einen Gleichstromwiderstand von rund 7k.

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Das 3. Band

Da ich zu den Leuten gehöre, die zu faul zum Verstärkertransportieren sind, spiele ich eigentlich immer direkt in die PA, meist mit einem kleinen Eden WTDI (DI-Box mit EQ und Compressor). Im Bandkontext werden dann meist ganz dezent die Mitten abgesenkt und der Sound steht. Genau dieser Eingriff soll nun direkt am Bass möglich sein.

Potis_neu2.png

Das Bild zeigt bereits das Endergebnis. Das Classic-Preamp ist einfach um eine semiparametrische Mittenreglung erweitert worden. Das Schaltungsprinzip beruht auf einer typischen Schaltung, bei der mittels eines Stereo-Potis (im Bild: R_POT_ST) die Mittenfrequenz und mittels eines Mono-Potis die Absenkung/Anhebung geregelt werden können.

MID_EQ_schem1

Noll_P1075.pngDas dafür benötigte Poti bekommt man bei Klaus Noll unter der Bestellnummer P1075, es ist jedoch mit 25 € nicht ganz billig, aber die Optik des Instruments sollte grundsätzlich erhalten bleiben und vier Knöppe reichen auch wirklich hin.

Das Elektronikfach musste bei meinem Bass dann allerdings unter dem Poti noch etwas vertieft werden, da es später nicht sichtbar ist, funktioneren Hausmittel (Bohrer, Stechbeitel…).

Die Mittenfrequenz und Bandbreite/Güte dieser Schaltung ist durch die beiden Kondensatoren C1 und C2 beeinflussbar.

Die Schaltung wurde mit PSpice simuliert und anschließend mit LiveSpice getestet. Die Kombination 10nF/4,7nF deckt laut Simulation einen Frequenzbereich von ca. 200-2200 Hz bei einer max. Anhebung von ca. 14-15 dB ab, das sollte gut funktionieren und ist der Bereich, den ich für sinnvoll halte.

FREQ_MIN_MAX

Platine

Die eigentliche Schaltung sitzt dabei auf einer kleinen Platine, die größtenteils über einen achtpPotioligen Steckverbinder angeschlossen wird, die Betriebsspannung wird einfach dem bereits vorhandenen EQ entnommen. Der Einstellbereich ist in der gezeigten Dimensionierung schon fast zu groß, 15 dB braucht eigentlich niemand…

Pickup-Austausch

Abschließend wurde der OLP-Pickup durch einen Nordstrand 5.2 ersetzt. Dieser parallel geschaltete Humbucker ist angeblich nach den Originaldaten gewickelt. Und tatsächlich, in Verbindung mit dem Classic-Preamp und dem zusätzlichen parametrischen Mid-EQ erhält man den typischen Stingray-Sound mit etwas mehr Flexibilität durch das zusätzliche Mittenband. Am Ende ist also ein richtig tolles Instrument entstande.

Und so klingt das dann… Ist wie immer fürchterlich gespielt 😉